Zu dem Rundgang in die verherrlichte Geschichte Stalins
gehört selbstverständlich der Besuch des Geburtshauses. Wir bekommen eine
gesonderte Führung, die Nino für uns arrangiert hat. Das gemauerte Häuschen
steht unter einem großen Baldachin aus Beton und Glas – wetterfest konserviert.
Die Jugashvilis wohnten hier als junges Paar als der erste Sohn Iosib 1879 zur
Welt kam. Drei Jahre lang zur Miete, sagt die Museumsführerin. Und wo hatte der
Vater, der Schuster, seine Werkstatt, wollte ich wissen. Im Kellergeschoss,
Eingang neben der Treppe.
Wären da nicht die Insignien der CCCP in der Kuppel, dann könnte dieses etwa 250 Jahre alte Gebäude auch in einem Freilichtmuseum stehen. Der Blick in den Wohn-Schlaf-Koch-Raum überrascht nicht. So haben offenbar viele Bewohner Goris gewohnt: Bescheiden, schlicht, keine Zeichen von Elend.
Wären da nicht die Insignien der CCCP in der Kuppel, dann könnte dieses etwa 250 Jahre alte Gebäude auch in einem Freilichtmuseum stehen. Der Blick in den Wohn-Schlaf-Koch-Raum überrascht nicht. So haben offenbar viele Bewohner Goris gewohnt: Bescheiden, schlicht, keine Zeichen von Elend.
In der personifizierten
Geschichtsbetrachtung bleiben viel Raum und Phantasie für den Besucher, sich mit
dem Helden aus Gori, dem einzigen Großen Georgier der Neuzeit zu
identifizieren. Er war einer von uns!
Ich zitiere aus einem Büchlein
der Heinrich-Böll-Stiftung von 2012: „ Playing with Statues: Stalin Here and
Now“
Stalin related imagery
is quite often to be met in completely private or half-public space. Along with
absolutely unrelated images such as Holy Mary, naked girls, Vladimir Visotsky
popular in the 70s and 80s, yet every image of this range is in itself
ideologized, bearing certain quite often masculinity related, meaning for
certain people: naked girl – object of passion, Holy Mary – symbol of ‘faith’,
Stalin – domestic version of ‘American Dream’, story of a son of a shoemaker
becoming a generalissimos. (Seite 77, GEORGIAN DREAM)
Nach wie vor bin ich dem Leser
eine Antwort schuldig auf meine Frage: Was fehlt mir (ich bin kein Georgier) in
diesem Stalin-Museum?
Ich erfahre nichts über die Opfer.
Von 1921 bis zu seinem Tod war
Stalin verantwortlich für 20 Millionen Tote (geschätzte Zahl, Quelle folgt). Der
Georgier Stalin beendete die gerade begonnene Unabhängigkeit seines
Heimatlandes (Democratic Republic of Georgia) durch eine Invasion der Roten
Armee und unterwarf die Menschen einem fremden russischen System. Georgien wurde durch ihn zu
einem Teil der „Föderativen Union der
Transkaukasischen Sozialistischen Sowjetrepubliken“ unter dem Symbol von
Hammer und Sichel.
Ob aus diesem Museum der Heldenverehrung jemals eine
Gedenkstätte auch für die Opfer des Stalinismus werden könnte? Die Frage werde
ich demnächst vielleicht einem Vertreter des „SOVLAB
| Soviet Past Research Laboratory“ stellen können. Denn inzwischen melden
sich auch Georgier, die den Mythos vom Sohn eines Schusters zum Weltbeherrscher
durchbrechen wollen.
Die letzte Station unseres Rundgangs ist der Eisenbahnwagon
Stalins, in dem er sich nach Potsdam bringen ließ. Fast heimatliche Gefühle
steigen in mir auf (vielleicht sogar Teil der Geschichte erlebt zu haben) als
dieser Wagen im Juli 1945 in das besiegte Deutschland fuhr. Erst vor etwa
drei Jahren hörte ich in einem Vortrag von Michael Cullen, wie Stalin zur
Potsdamer Konferenz angereist kam, nämlich per Schiene. Der Diktator hatte
panische Flugangst (aus welchen Gründen auch immer). Deshalb wurde die
Bahnstrecke von Moskau bis nach Potsdam auf die russische Spurweite verbreitert.
Und, so hieß es in dem Vortrag in der so genannten Truman-Villa am
Griebnitz-See, an die Strecke waren Soldaten zur Sicherheit des Generalissimos
abkommandiert. Potsdam-Gori per Bahn, eine seltsame Verbindung.
Für die Rückfahrt nach Tbilisi nehmen wir uns ein Taxi. Georgian
Railway bietet keine Zugverbindung am Nachmittag vom Provinzbahnhof in die
Hauptstadt. Die ausländischen Touristen reisen ja ohnehin mit Bussen oder ihren
eigenen Fahrzeugen an und ab.
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