Freitag, 9. August 2013

"Fritz kaputt"



Mein Obsthändler unten im Haus grüßt mich freundlich mit „Guten Tag“. Es klingt so ähnlich. Er hat mich schon früh als Deutschen erkannt. Seine Freunde, die abends bei ihm vor dem Laden rumhängen, sind etwa in meinem Alter oder zehn Jahre jünger. Auch sie kramen ihre deutschen Wörter hervor, die sie wohl als Soldaten der Sowjet-Armee in der DDR aufgeschnappt haben. Und dann kommt das Reizwort: Hitler. Keiner sagt „Heil Hitler“, aber das reicht. Weil ich mit ihnen reden will sage ich: Stalin. Wir lachen – verlegen. Doch dann wird es ernster. „Hitler schlecht, Stalin gut!“, sagt einer von ihnen. Na, so einfach ist das doch nicht – aus meiner Sicht – und versuche ein Gespräch. Auf meine Frage, warum denn Stalin gut sei, bekomme ich eine deutliche Antwort. Sinngemäß höre ich: Hitler hat den Krieg gegen die Sowjet Union begonnen. Stalin hat den Krieg gegen Hitler gewonnen. „Also – gut!“ Mir verschlägt’s die Sprache. Und die Herren Rentner setzen noch eins drauf: „Hitler kaputt! Fritz kaputt!“
Erst viel später begreife ich, in Gesprächen mit Georgiern, die fließend Deutsch sprechen, dass es 1945 in Tbilisi diesen Spruch gab, mit dem sich Bewohner in Georgien gegenüber den deutschen Kriegsgefangenen Luft machten. „Hitler kaputt. Fritz kaputt.“ Sie hätten auch den Namen Hans nehmen können, denn der war bei den POW (Prisoner of War) auch recht häufig. Jumber Khantadze, zum Beispiel, beschreibt seinen Alltag 1945 als Schüler in Tbilisi sehr einfühlsam, ohne Häme. Seine Familie hatte direkten Kontakt mit jungen deutschen Kriegsgefangenen. Ein lesenswertes, kleines Büchlein. („The Amorous Detective – And other Stories“, Shemetsneba Publishing House 2012)

Geländer der "Galaktion Tabidze Bücke" über den Fluss Mtkvari im Zentrum der Stadt Tbilisi


Blogleserin Uschi fragt: Wird das Andenken an Stalin aufrechterhalten?
Offiziell nicht, dafür sehe ich keine Anzeichen hier in Tbilisi. 

 Die junge Generation, ohne Erfahrungen mit dem Sowjetischen System vor 1991, wissen nicht viel, weil ihre Eltern und Grosseltern schweigen. Die Parallelen zu unserer deutschen Nachkriegsgeschichte drängen sich nahezu auf. Dieses „Fritz kaputt!“ bei den Alten hat mich irritiert. Jedoch, in keiner Phase meines kurzen Aufenthalts habe ich eine anti-deutsche Stimmung gespürt, erlebt oder empfunden. Ich bin sensibel genug um das zu behaupten. Irgendwann wird wohl auch die Rolle der Georgier in der Roten Armee aufgearbeitet. Erste Ansätze einer so genannten Vergangenheitsbewältigung von Georgiern für Georgien beobachte ich.

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