Freitagnachmittag habe ich mir für die Fahrt nach Bolnisi frei genommen. Eigentlich aber war es eine Dienstreise. Meinen Counterparts habe ich einen Video Clip von der Eröffnung versprochen. Ob das letztlich klappt, werde ich am Montag feststellen, wenn ich das Material abliefere.
Die Reisenden treffen sich in Tbilisi auf dem Parkplatz vor dem Radisson Hotel. Der Kleinbus fährt mit uns nach Südwesten. Auch diese Ausfallstraße führt entlang der Seine … quatsch, der Fluss heißt hier ja Mtkvari. Das Konzept der Stadtplaner gleicht dem Pariser Konzept: Zerstörung des Uferbereichs durch mehrspurigen Schnellstraßen. Hin und zurück, getrennte Spuren in beiden Richtungen. Tbilisi gleicht der auto-gerechten Stadt des vergangenen Jahrhunderts in Westeuropa. Nur, dass es hier noch stärker stinkt, je näher man sich dem Fluss nähert. Ein offener Abwasserkanal.
An der Peripherie erkenne ich verlassene Fabrikanlagen. Industriebrachen aus der sovietischen Periode. Die Industrialisierung des Agrarstaates Georgien war ein „Geschenk“ Chruschtschows, der nach Stalin die Soviet-Union führte. Nur nach dem Ende der Union (im Jahre 1991) gab es für die Industrie, die hauptsächlich Produkte für den „Kalten Krieg“ zusammenschraubte, keine Arbeit mehr. Die Zulieferer aus den anderen Unionsstaaten gab es plötzlich nicht mehr. Großbetriebe verwandelten sich in Industriebrachen. Auf der Fahrt nach Bolnisi erfahre (!) ich diese Dilemma sehr anschaulich. Die Wohnblocks für die vom Land in die Fabriken abkommandierten Arbeitskräfte schauen noch verwahrloster aus als die Plattenbauten in meiner gegenwärtigen Wohngegend.
Georgien hat keine Rohstoffe für eine industrialisierte Wirtschaft. (Kleiner Rückblick: Im Gegensatz zur ehemaligen Soviet-Republik Kasachstan, wo ich in ähnlicher Mission vor zwei Jahren tätig war. Dort protzt die Regierung mit seinem Überfluss an industrielle verwertbaren Rohstoffen.) Meine Augen fühlen sich durch die rostenden Eisen- und Betontrümmer Fahrt entlang des Rustavi-Highway beleidigt. Bis, ja bis der vor uns kriechende LKW (der als Gebrauchtwagen von einer Spedition in Chemnitz den Weg hierher fand) endlich überholt werden konnte. Georgien ist ein schönes Land. Eine fruchtbare Ebene, eingerahmt von Bergen am Horizont, versöhnte das beleidigte Auge. Ein Aha-Effekt stellt sich ein: Georgiens Rohstoff wird anders definiert. Fruchtbarer Boden, Wasser, das Klima. Meine Reisebegleitung im Bus spricht auf halber Strecke von bis zu drei Ernten im Jahr. Die Bauern erwirtschaften einen bescheidenen Reichtum durch Handarbeit, der sich links und rechts der Straße deutlich abzeichnet. Viele Neubauten, Eigenheime (würde man in Deutschland sagen) entstehen auf den mit Obstbäumen bewachsenen Grundstücken. Im Gegensatz zur Bebauung aus der Zeit der Kolchosen. Die Ruinen liefern gerade mal Schotter für den neuen Straßenbau.
Hier schreibe ich meine Eindrücke. Das sind keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse oder Auszüge aus den vielen Business Handouts, die Georgien für Investoren aus dem Westen attraktiv schreiben. Die findet der Leser ohnehin, wenn er in die Tiefe gehen möchte.
Wir erreichen die Kleinstadt Bolnisi. Einen aufgeräumten schmucken Ort, der für den Besucher aus Deutschland „irgendwie“ abweichende Merkmale von den anderen durchfahrenen Orten aufweist. Der Ort hieß wirklich mal Katharinenfeld.
Wikepedia schreibt: Bolnissi (georgisch ბოლნისი) ist eine Stadt in Georgien. Sie liegt in der Region Niederkartlien (Kwemo Kartli) und hat 17.700 Einwohner. Die Stadt geht auf eine Gründung durch kaukasiendeutsche Siedler unter dem Namen Katharinenfeld im Jahr 1818 zurück. Der heutige Name stammt von der nahe gelegenen Bolnissier Sioni-Kirche aus dem 5. Jahrhundert.
Die Geschichte der Deutschen Wassermühle am Flüsschen Maschawera beschreibt der neue Eigentümer (aus Deutschland) sehr anschaulich hier ....> http://www.muehle-bolnisi.com/?page_id=25
Ich beschränke mich auf Fotos, die ich bei der offiziellen Eröffnung aufgenommen habe.
Auch Fotos vom Feuerwerk sind nicht ohne Faszination. Ich kann mich dem oft nicht entziehen.