Dienstag, 23. Juli 2013

Kein Vollmond

Mondaufgänge über Kirchturmspitzen üben auf mich einen magischen Reiz aus. Schon tausendmal fotografiert, millionenfach kopiert, das ist die gängige Definition für Kitsch.
In meinem Kalender hatte ich den Montag um 19:59 h als Vollmond-Aufgang notiert, steige 144 Stufen nach oben auf das Bergrestaurant und – warte, Wolken machen den Himmel dicht. Ausgerechnet heute sinken deshalb die Temperaturen auf angenehme 20 Grad. Und was mache ich mit dem verpatzten Fototermin?  Ich mache mir einen Kopf, schaue in das Tal, auf die Stadt, lasse mich durch die beschissene moderne Architektur zu meinen Füßen provozieren.


Der Noch-Präsident hat jahrelang ausländische Architekten mit dubiosen Aufträgen versorgt. (Warum müssen autokratische Herrscher sich auch als Stadtplaner oder Baumeisters versuchen?) Die Baufirmen aus dem Westen sind maßlos bei der Verwendung von Glas und Stahl, ohne die klimatischen Bedingungen zu berücksichtigen.
Der andere Millionär oder Milliardär (eine Null mehr oder weniger vor dem Komma ist belanglos), der nun als Premierminister das Sagen hat, fällt auch nicht durch Bescheidenheit auf. Er stiftet Kirchen. Seine Lichtdesigner berauschen sich an der geforderten Größe unübersehbar vor dem Nachthimmel.



Und immer noch warte ich auf den Vollmond.

Ich weiß, dass ich mit meinen Gedanken unter georgischen Traditionalisten und Modernisten keine Freunde finde. Doch merken einige von ihnen plötzlich auf, nachdem UNESCO zwei Kirchen/Klöster auf die Roten Liste gesetzt haben. Wegen nicht fachgerechter Sanierung. Weil, nun weil sich ein Politiker bei den Gläubigen Stimmen holen wollte und Baustoffe von Feinsten verbauen ließ. UNESCO will den Weltkulturerbe Status der Bagrati Kathedrale und des Gelati Klosters annullieren, wenn nicht denkmalgerecht nachgebessert wird. Goergien hat noch ein Chance.

Der Mond ist nicht aufgegangen. Ich ziehe mich in Tbilisi zurück und werde mal schauen, ob ich vier Wochen an anderer Stelle einen wolkenfreien Himmel erwische.

Hier noch ein Blick in das gewachsene Stadtbild. In der kleinen Kirche habe ich die Kerze angezündet.

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